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Die Insolvenz des Handelsvertreters – ein unterschätztes Phänomen?

Eine Insolvenz des selbstständigen Handelsvertreters führt nicht automatisch zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht – und erst recht nicht zu einer Versagung des Handelsvertreterausgleichsanspruches.

In Deutschland ist ein Berufszweig weit verbreitet, der aber vielen nicht immer vor Augen steht: Das sind die Handelsvertreter, seien sie Versicherungsmakler oder -vertreter, Finanzdienstleister oder Vertriebler für die Industrie, Medien, Agenturen etc. Sie gelten nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuches (§ 84) als Unternehmer, da sie zwar oftmals unter dem Label des Auftraggebers auftreten, aber wirtschaftlich selbstständig sind. Laut Statistiken gab es bereits 2010 hierzulande rund 60.000 solcher Handelsvertreter mit etwa 200.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von um die fünf Milliarden Euro.

Insofern besitzt die Branche der Handelsvertreter enormes wirtschaftliches Gewicht – und die Handelsvertreter sind auch für die Gesellschaften, die sie vertreten, ein hohes Gut in der Generierung von Umsatz; im Gegenzug profitieren sie anteilig an diesem Geschäft. Daher stellt sich die Frage, was bei einer Insolvenz des Handelsvertreters für eine Gesellschaft passiert. Dies scheint ein bislang unterschätztes und wenig diskutiertes Phänomen zu sein, gleichwohl selbstständige Handelsvertreter nach HGB § 84 den gleichen Risiken und Marktveränderungen unterliegen wie alle anderen Unternehmen auch. Insofern sind Insolvenzen in dieser Berufsgruppe genauso wenig ausgeschlossen wie in allen anderen Branchen.

Vor allem stellt sich bei einer Insolvenz des Handelsvertreters schnell die Frage nach den Kündigungsmöglichkeiten der Gesellschaft – und das immer vor dem Hintergrund des Handelsvertreterausgleichs.

Zum einen muss man herausstellen: Antragstellung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Handelsvertreters führen nicht dazu, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien automatisch endet. Ebenso bedingt die Insolvenz keinen unmittelbaren außerordentlichen Kündigungsgrund, der dazu führen würde, dass einem Handelsvertreter seine Ausgleichszahlung im Kündigungsfalle nicht zusteht. Mit dem Ausgleichsanspruch Hz der Gesetzgeber für freie Handelsvertreter einen Sicherungsmechanismus geschaffen. Aufgrund dieser Regelungen im Handelsgesetzbuch stehen dem Handelsvertreter nach Ende seines Vertrages mit einer Gesellschaft Bestandszahlungen zu. Diese HGB-Regelung wird durch eine Insolvenz, in deren Folge eine Gesellschaft den Vertrag einseitig beenden will, nicht aufgehoben.

Der Ausgleichsanspruch kann nur versagt werden, wenn der Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters zugrunde lag. Das Oberlandesgericht München beispielsweise hat in einem solchen Fall entschieden, dass eine Insolvenz nicht immer vom Handelsvertreter verschuldet sein müsse. Denkbar seien auch äußere Einflüsse oder unternehmerische Fehlentscheidungen. Daher hat das OLG München (24.11.2004, Az. 7 U 1518/04) abgelehnt, eine Insolvenz grundsätzlich als Verschulden des Handelsvertreters anzuerkennen und erkennt dementsprechend darin auch keinen Grund, den Ausgleichsanspruch nicht zu zahlen.

Auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung im Insolvenzfalle ist nicht automatisch gegeben, hat das OLG Hamm (09.06.2004 Az. 35 W 5/04) mit Blick auf eine ältere BGH-Entscheidung geurteilt. Notwendig sei immer eine Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls, um eine außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Sobald die Insolvenz jedoch unmittelbare Auswirkungen auf die Leistungen des Handelsvertreters oder auf die Kundenbeziehungen hat (etwa aufgrund von Imageproblemen oder der Verwertung betriebsnotwendiger Gegenstände), ist das Recht zur außerordentlichen Kündigung gegeben.

Aufgrund der engen Vertragsverhältnisse können Handelsvertreterinsolvenzen zu komplexen Angelegenheiten für vertrieblich orientierte Gesellschaften werden. Es ist daher zu einem sehr feinfühligen Umgang mit den rechtlichen Vorgaben geraten.

 

 

 

Bild: alex_ugalek / FreeDigitalPhotos.net

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  1. Der Handelsvertreterausgleich in der Insolvenz kann nicht einfach versagt werden - InsolvenzBlog - 6. Mai 2021

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