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Der präventive Restrukturierungsrahmen: Ein Update

Die Richtlinie über den präventiven Restrukturierungsrahmen ist am 28. März 2019 im Europäischen Parlament beschlossen worden. Sie muss nun bis Ende 2020 in deutsches Recht umgesetzt werden. Allerdings jetzt ist bereits sicher, dass dies zu erheblichen Änderungen in der Restrukturierungspraxis führen wird. Was lässt sich schon heute dazu sagen?

Darum geht es!
Durch die Richtlinie sollen Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden und denen eine Insolvenz droht, in die Lage versetzt werden, ein Insolvenzverfahren abzuwenden und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen (vgl. Artikel 1, Abs. 1 a der Richtlinie). Hierfür wird ein Instrumentenkasten zur Verfügung gestellt, der nun vom nationalen Gesetzgeber in das deutsche Recht umgesetzt werden muss. Die wesentlichen Bestandteile sind die Möglichkeit eines Moratoriums, welches die Erstellung eines Restrukturierungsplans, ggf. unter Aufsicht oder Hilfe eines Restrukturierungsbeauftragten und eine Bestätigung des Gerichts beinhaltet. In Arbeitnehmerrechte darf nicht eingegriffen werden, Arbeitnehmer sollen aber rechtzeitige und weitgehende Informationsrechte besitzen.

Das Moratorium
Um die Zeit für die gesicherte Durchführung der Verhandlungen mit den Gläubigern oder bestimmten Gläubigergruppen zu haben, kann ein Moratorium beantragt werden, dass Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung für alle oder bestimmte Gruppen von Gläubigern beinhaltet (Artikel 6). Dabei ist die Dauer grundsätzlich auf vier Monate begrenzt (Artikel 6, Abs. 6), kann aber unter bestimmten Voraussetzungen (Abs. 7) auf maximal zwölf Monate ausgedehnt werden (Abs. 8). Während der Dauer des Moratoriums sind die nationalen Insolvenzantragspflichten ausgesetzt, wenn anderenfalls eine Liquidation drohen würde (Artikel 7, Abs. 1). Zudem sind die wesentlichen Gläubiger während des Moratoriums daran gehindert, aufgrund im Vorfeld entstandener Verbindlichkeiten Leistungsverweigerungs- oder Kündigungsrechte geltend zu machen (Artikel 7, Abs. 4). Wesentliche bestehende Verträge dürfen auch nicht zum Nachteil des Schuldners geändert werden. Lösungsklauseln in Verträgen sind unwirksam.

Entschuldung durch Restrukturierungsplan
Die Entschuldung des Unternehmens soll dann durch einen Restrukturierungsplan erfolgen, dessen Inhalt Artikel 8 der Richtlinie umreißt. Danach muss der Plan eine Aufstellung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Unternehmens einschließlich einer Bewertung enthalten. Zudem müssen die wirtschaftliche Situation und die Position der Arbeitnehmer beschrieben werden, sowie auch die Ursachen und der Umfang der Schwierigkeiten. Die Gläubiger müssen in dem Plan in Klassen eingeteilt werden. Das Kernstück sind dann die eigentlichen Bedingungen der Restrukturierung. Die Maßnahmen müssen umschrieben sein einschließlich ihrer Laufzeit sowie die Auswirkungen auf die Beschäftigten. Sofern eine neue Finanzierung vorgesehen ist, muss diese und die Finanzströme ebenfalls dargestellt sein. Zudem muss der Plan eine Begründung enthalten, warum bei seiner Durchführung eine Insolvenz vermieden werden kann und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gewährleistet ist. Über die Pläne ist dann abzustimmen. Dies kann grundsätzlich außergerichtlich erfolgen. Nur, wenn es explizit beantragt wird, überprüft das Gericht die Gruppenbildung. Bezüglich der Mehrheitsverhältnisse lässt die Richtlinie große Spielräume, nur mehr als 75 Prozent dürfen es nicht sein (Artikel 9, Abs. 6). Sofern ein Plan Forderungen von Beteiligten beeinträchtigt, eine neue Finanzierung vorsieht oder mehr als 25 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut werden, ist eine gerichtliche Bestätigung erforderlich. Ferner ist ein Überstimmen ablehnender Gruppen durch einen klassenübergreifenden Cram-down mittels gerichtlicher Bestätigung möglich (Artikel 11). Darüber hinaus enthält die Richtlinie Vorschriften zum Schutz von Neufinanzierungen und Transaktionen, die unmittelbar notwendig sind für die Verhandlung des Restrukturierungsplans (Artikel 17 und 18).

Also alles gut?
Die verabschiedete Richtlinie greift leider bei weitem nicht alle Kritikpunkte auf, die im Vorfeld ins Feld geführt wurden. Gut und wichtig ist, dass nicht in die arbeitsrechtlichen Vorschriften eingegriffen wurde und die Arbeitnehmerrechte in vollem Umfang auch in einem Restrukturierungsverfahren Anwendung finden. Allerdings wird man davon ausgehen können, dass die Beteiligten die Arbeitnehmer unter dem Druck einer Restrukturierung zu Zugeständnissen bewegen wollen werden. Da die Arbeitnehmervertreter weitgehende Einsichtsrechte haben, können sie diesem Druck aber auf Augenhöhe begegnen. Problematisch ist, dass nach wie vor unklar ist, ab und bis zu welchen Zeitpunkt der neue präventive Restrukturierungsrahmen Anwendung findet. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass während der Dauer eines Moratoriums die Insolvenzantragspflichten ausgesetzt sind und die wesentlichen Lieferanten ihren vertraglichen Lieferpflichten nachkommen müssen, ohne sich von den Verträgen lösen zu können. Dies wird bei allen Beteiligten zu erhöhter Aufmerksamkeit im Vorfeld und wahrscheinlich auch zu einem vorzeitigen Beenden von Geschäftsbeziehungen oder zumindest schnellerem Streichen von Zahlungszielen führen. Auch werden Dauerlieferverträge wahrscheinlich auf den Prüfstand kommen. Es steht zu befürchten, dass während der Dauer eines Moratoriums untaugliche Maßnahmen dazu führen, dass Gläubiger weiter geschädigt werden und wertvolle Zeit für eine (übertragende) Sanierung des Unternehmens vertan wird. Hinzu kommt, dass die in der Richtlinie angesetzte Dauer des Moratoriums nicht im Einklang mit der Capital Requirements Regulation (CRR-Verordnung) steht, die die Banken dann zur Abschreibung verpflichtet. Banken werden dann bei der Kreditvergabe noch vorsichtiger vorgehen und ihr Sicherheitenbedürfnis sowie ihre Frühwarnsysteme ausbauen, um vor Ausfällen durch Restrukturierungspläne gefeit zu sein. Letztlich wird sich das in den Zinshöhen widerspiegeln. Die in den Artikeln 20 ff. enthaltene Entschuldung von natürlichen Personen, die als Unternehmer tätig sind innerhalb von drei Jahren ist sinnvoll und führt zum Abbau von einer überlangen Verfahrensdauer.

Einige Fragen sind aber noch ungeklärt
Unklar ist noch, ab welchem Zeitpunkt einer finanziellen Krise dieses Instrument genutzt werden, und ab wann es nicht mehr genutzt werden kann, weil eine Insolvenzantragspflicht besteht. Hier bleibt die Umsetzung in nationales Recht abzuwarten. Die Richtlinie spricht in Artikel 4, Abs. 1 von der Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz. Ob dies der heute in § 18 InsO normierten drohenden Zahlungsunfähigkeit entsprechen wird, bleibt abzuwarten.

Es bleibt auch unklar, welche Aufgaben dann genau der Restrukturierungsbeauftragte haben wird. Er soll das Unternehmen und die Gläubiger bei der Ausarbeitung des Plans unterstützen. Da das Unternehmen in aller Regel bereits von einem Berater begleitet wird, wird er dann sicherlich nur eine Vermittlerrolle zwischen den unterschiedlichen Interessen einnehmen können. Er wird in aller Regel als neutraler Vermittler angesehen werden und sollte neben juristischen Kenntnissen vertiefte betriebswirtschaftliche Kenntnisse mitbringen, um den Restrukturierungsfall sehr schnell zu verstehen und gangbare Lösungen für die beteiligten Interessengruppen vorzuschlagen.   

Die Vorschriften über die Nichtanfechtbarkeit von Beraterhonoraren, die in engem Zusammenhang mit der Restrukturierung stehen, werden voraussichtlich nicht dazu beitragen, dass das Ziel der Richtlinie, die Kosten einer Restrukturierung zu verkleinern, erreicht wird. Die Vorschrift wird im Zweifel eher dazu führen, dass Kosten ausufern. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier eine klare Regelung findet, die ausufernden Kosten Einhalt gebietet.

Ein Zwischenfazit
Im Ergebnis wird die Richtlinie in den Markt der Restrukturierung erhebliche Bewegung bringen. Das Instrument einer vorinsolvenzlichen Restrukturierung ist immer dann sinnvoll, wenn nur sehr partielle Einzelinteressen bestimmter Gläubiger tangiert sind, die dann nahezu geräuschlos gelöst werden können, ohne eine alle Gläubiger umfassende Sanierung mittels eines Insolvenzverfahrens durchzuführen. Bei einer alle Gläubiger betreffenden Restrukturierung ist das Instrument ebenfalls sinnvoll, wenn es sich um eine reine Finanzsanierung handelt und der Werkzeugkasten der Insolvenzordnung nicht benötigt wird. Diese Fälle werden durch die neuen Instrumente dann erheblich beschleunigt und effektiver gelöst werden können. Abzuwarten bleibt allerdings, ob etwaige Anpassungen der Gläubiger im Vorgriff auf Vollstreckungsverbote und Weiterbelieferungsgebote nicht dazu führen, dass Unternehmen schneller zahlungsunfähig werden, als bisher.

Bild: Gert Altmann auf pixabay

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