In unserem letzten Artikel haben wir von der Corporate Finance Mittelstandsberatung GmbH (CF-MB) darauf hingewiesen, inwiefern ein Notverkauf der sprichwörtlich letzte Strohhalm für Unternehmer sein kann, die von einer drohenden Insolvenz betroffen sind. In diesem Beitrag wird das Thema nochmals aufgegriffen und im Hinblick auf einen Kaufvertragsbestandteil vertieft, der sich im Zuge der Corona-Krise besonderer Popularität erfreut – der Earn-out-Regelung.
Gerade bei mittelständischen Deals mit einem Volumen unter 100 Millionen Euro werden Earn-outs oft genutzt. Verkaufsinteressierte Unternehmer sollten die Chancen und Risiken von Earn-outs im Vorfeld der Verhandlungen kennen, um sicherzustellen, dass ihr Lebenswerk schlussendlich zu fairen Bedingungen veräußert wird.
Was ist eine Earn-Out-Regelung?
Bei der Vereinbarung von Earn-outs wird ein Unternehmenskaufvertrag so gestaltet, dass ein Teil des Kaufpreises von der künftigen Entwicklung des Zielunternehmens abhängt. Konkret teilt eine Earn-out-Regelung den Kaufpreis in zwei Komponenten auf: eine fixe Zahlung, die direkt fällig wird und eine leistungsbezogene Zahlung, die der Verkäufer später erhält, sofern das Unternehmen bestimmte zuvor definierte Meilensteine erreicht. Häufig werden Finanzparameter (wie die Entwicklung des Umsatzes oder des operativen Gewinns) als Leistungskennzahl verwendet, da sie in der Regel am einfachsten zu berechnen und bei genauer Definition nur schwer zu manipulieren sind. Earn-outs helfen in der Praxis dabei, unterschiedliche Preisvorstellungen zwischen Käufern und Verkäufern zu überbrücken und behandeln damit einen klassischen Konflikt bei M&A-Deals: Der Käufer möchte einen möglichst niedrigen Kaufpreis zahlen, der Verkäufer dagegen den größtmöglichen Erlös erzielen.
Risiken für den Verkäufer
Das genaue Ende der Corona-Pandemie kann nach heutigem Stand nur bedingt abgeschätzt werden. Auch der Zeitpunkt, wann die Märkte sich erholen und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wieder steigt, bleibt daher ungewiss. Da die Zahlung der leistungsabhängigen Komponente im Wesentlichen von der positiven Entwicklung des Betriebes abhängt, läuft der Verkäufer Gefahr sein Unternehmen unter Wert zu verkaufen.
„Earn-outs machen häufig zwischen 10 und 20 Prozent des Kaufpreises aus. Der Verkäufer sollte daher sicherstellen, dass er die vereinbarten Ziele auch realistisch erreichen kann.“
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass sich der Käufer nach der Transaktion in der Regel die Flexibilität wünscht, das Geschäft nach eigenem Ermessen zu führen, was auch mit Änderung der strategischen Ausrichtung einhergehen kann. Verkäufer sollten folglich darauf achten, dass sie noch ausreichend Einfluss auf die Geschäftsentwicklung haben, um ihren Earn-out auch erzielen zu können. Die Prämissen, unter denen das Unternehmen weitergeführt wird, sollten daher mit denen vor dem Verkauf vergleichbar bleiben. Sonst könnten die Käufer dem Neuerwerb beispielsweise hohe Overhead-Kosten aufbürden – ein Trick, um den Weg zu den vereinbarten Meilensteinen deutlich zu erschweren. Verkäufer sollten Earn-outs demnach nur akzeptieren, wenn auch ihr Management noch für mindestens ein Jahr an Bord bleiben und Einfluss auf die weitere Entwicklung nehmen kann.
Chancen für den Verkäufer
Ein wesentlicher Vorteil der Earn-out-Regelung ist es, dass sie Verkäufern Zeit verschafft. Vielen mittelständischen Unternehmern sind in den vergangenen Monaten Umsätze weggebrochen, was in Folge zu einer angespannten Liquiditätssituation führte. Geplante Investitionen sind auf Eis gelegt worden und für Mitarbeiter musste Kurzarbeit angemeldet werden. Angesichts dieser Ausgangslage und eines unsicheren Marktumfelds können viele Unternehmen aktuell nur mit massiven Zugeständnissen beim Verkaufspreis veräußert werden. Durch die Earn-out Klausel haben Verkäufer die Möglichkeit potentielle Käufer mit einem vergleichsweise niedrigen Fixpreis zu ködern, da die leistungsabhängige Kaufpreiskomponente nur bei einer positiven Unternehmensentwicklung gezahlt werden muss. Sollte die Corona-Krise jedoch in absehbarer Zeit enden, wird die gesamtwirtschaftliche Erholung zur besagten positiven Entwicklung der Finanzkennzahlen führen. Hieraus resultiert wiederum die Zahlung der vereinbaren Earn-outs. Somit kann der Verkäufer letztendlich, trotz Krise, einen fairen Preis für sein Lebenswerk erhalten.
Was müssen Käufer beachten?
Käufer müssen im Rahmen der Formulierung der Earn-out-Regelung insbesondere den Vereinbarungen Beachtung schenken, die sich auf die Dauer und auf die Mitsprache des Verkäufers nach dem Closing beziehen. Im Optimalfall bleibt der Verkäufer in der Übergangsphase beteiligt, der Käufer kann von dem technischen und betrieblichen Know-how des Verkäufers sowie dessen starken Kundenbeziehungen profitieren, während die Earn-out-Klausel bei dem Verkäufer den Anreiz schafft weiterhin motiviert und engagiert zu bleiben. Ein potentieller Fallstrick bezieht sich jedoch auf den Fall, dass die Earn-out-Periode zu kurz gewählt wird, während die Unternehmensführung noch dem Verkäufer obliegt. Schlimmstenfalls könnte der Verkäufer seinen Einfluss auf das Management nutzen, um das Ergebnis kurzfristig mit riskanten Entscheidungen zu steigern. Um Fehlanreize dieser Art zu vermeiden und zu verhindern, dass das Verhalten des Verkäufers die langfristigen Pläne des Käufers konterkariert, sollte eine ein- bis dreijährige Earn-out-Periode vereinbart werden.
Schlussbetrachtung
Es konnte gezeigt werden, dass die Earn-out-Klausel in Kaufverträgen zahlreiche Chancen und Risiken (für Käufer und Verkäufer gleichermaßen) beinhaltet. Um Problemen entgegenzuwirken, ist eine klare Darlegung über die einzelnen Pflichten der Parteien und eine genaue Definition über was während der Earn-out-Periode erfolgen darf, unabdingbar. In jedem Fall sollte auf eine faire Lösung für beide Parteien hingearbeitet werden, damit die Transaktion nicht gefährdet und eine künftige Erfolgsentwicklung des Unternehmens sichergestellt werden kann.
Die genannten Szenarien illustrieren die vielleicht größte Stärke von Earn-out-Regelungen: Sie lassen sich flexibel gestalten. Wenn beide Seiten Schwierigkeiten damit haben, sich etwa auf Zeitpunkt und Höhe der Zahlungen zu einigen, können Stufenregelungen einen Kompromiss darstellen. Dazu definieren Käufer und Verkäufer unterschiedliche Schwellenwerte für verschieden hohe Zahlungen. Je nachdem, welche Schwelle am Ende erreicht wird, zahlt der Käufer einen kleinen, mittleren oder größeren Earn-out-Betrag. Um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, ist es in jedem Fall ratsam während der M&A-Verhandlungen genügend Zeit für die Erarbeitung der Earn-outs einzuplanen.
Auf einen Blick
- Earn-outs bezeichnen eine vertragliche Regelung in einem Unternehmenskaufvertrag nach der ein Teil des Kaufpreises von der künftigen Entwicklung des Zielunternehmens abhängt
- Verkäufer erhöhen durch die Vereinbarung von Earn-outs ihre Chancen auch in Krisenzeiten einen Käufer für ihr Unternehmen zu finden und einen fairen Kaufpreis für ihr Lebenswerk zu erhalten
- Potentielle Fallstricke der Earn-out-Vereinbarung betreffen insbesondere die Dauer der Earn-out-Periode und das Mitspracherecht des Verkäufers in der Übergangszeit nach der M&A-Transaktion
- Earn-outs lassen sich flexibel gestalten. Um nachträglichen Problemen entgegenzuwirken, sollten sich die Parteien bei der Verhandlung Zeit lassen, um alle Eventualitäten der späteren Zusammenarbeit zu besprechen und vertraglich zu fixieren
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