Viele Anleihegläubiger der Laurèl-Anleihe fühlen sich durch den Insolvenzplan übervorteilt. Der gemeinsame Vertreter hatte diesem zugestimmt. War er dazu im Verhältnis zu den Anleihegläubigern berechtigt?
Das Amt des gemeinsamen Vertreters bei den Mittelstandsanleihen, wie es das Schuldverschreibungsgesetz vorsieht, ist im höchsten Maße umstritten. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens darf allein der gemeinsame Vertreter die Rechte und Pflichten der Anleihegläubiger geltend machen, § 19 Abs. 3 SchVG 2009. Diese umfangreiche Kompetenz ist nicht ungefährlich. Im Fall Laurèl könnte der gemeinsame Vertreter den Bogen überspannt haben. Aber urteilen Sie selbst:
Hintergrund zur Restrukturierung
Im November 2015 befand sich die Laurèl GmbH bereits in einem Restrukturierungsprozess. Die Anleihegläubiger sollten 35 % ihres eingesetzten Kapitals bekommen. Die Umsetzung der geplanten Restrukturierung scheiterte. Ein eingeleiteter M&A-Prozess, der von dem gewählten gemeinsamen Vertreter durchgeführt wurde, scheiterte ebenfalls. Es wurde ein Liquiditätsgutachten erstellt, wonach die Anleihegläubiger im Falle einer Insolvenz 13 % des eingesetzten Kapitals zu erwarten hätten. Ein vom gemeinsamen Vertreter in Auftrag gegebenes Gegengutachten bestätigte diese 13 %.
War der Insolvenzplan im wirtschaftlichen Interesse der Anleihegläubiger?
Nach vier Monaten stimmte im Rahmen der durchgeführten Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren der gemeinsame Vertreter einem Insolvenzplan zu. Die Frage ist, ob er dies durfte. Im Außenverhältnis sicher! Aber im Innenverhältnis? War der Insolvenzplan im wirtschaftlichen Interesse der Anleihegläubiger?
Der Insolvenzplan sah vor, dass die Anleihegläubiger – im Gegensatz zu allen anderen Gläubigergruppen – kein Geld, sondern stattdessen 170.000 Aktien an dem sanierten Unternehmen (mittelbar über eine Holding) erhalten sollten. Dieser sogenannte Debt-Equity-Swap, wie er im Rahmen einer finanziellen Restrukturierung nicht unüblich ist, wäre sicherlich eine geeignete Maßnahme gewesen, um die Anleihegläubiger sachgerecht im Gegenzug zum Verzicht auf ihre Anleiheforderung zu befriedigen. Die 170.000 Aktien stellten aber nur 34% des sanierten Unternehmens da. Für die verbleibenden 66 % sah der Insolvenzplan zwei nicht nachvollziehbare Modifikationen vor:
Der Geschäftsführer der Laurèl GmbH, der diese in die Insolvenz geführt hatte, soll an der neu zu gründenden Holding ebenfalls 75.000 Aktien erhalten. Hierfür zahlt der Geschäftsführer 75.000 Euro, mithin 1 Euro pro Aktie. Die Anleihegläubiger hatten 22 Mio. Euro Anleihekapital eingebracht. Eine unterstellte Liquidationsquote von 8, 1 % würde folglich einem Betrag von 1.782.000 Euro entsprechen. Wenn sie auf die Anleihegläubiger auf diese Quote verzichten und dafür stattdessen 170.000 Aktien erhalten, haben sie somit für eine Aktie 10,48 Euro „bezahlt“. Legt man die Planquote der anderen Insolvenzgläubiger in Höhe von 11,2 % zugrunde, hätten die Anleihegläubiger sogar 14,494.117 Euro pro Aktion „bezahlt“.
Daneben sollte ein Massegläubiger, der 2 Mio. Euro Massekredit gewährt hatte (dafür dass er das Geld als erstrangig besichertes Darlehen (sic!) stehenlässt), 255.000 Aktien an der neu zu gründenden Holding erhalten. Für diese zahlt er 1,67 Euro pro Aktie. Die Anleihegläubiger zahlen mithin einen weitaus höheren Preis für die Aktien.
Wie ist dies zu erklären? Wir wissen es nicht. Man kann nur Mutmaßungen anstellen.
Einen wirtschaftlich angemessenen Gegenwert erhalten die Anleihegläubiger offensichtlich nicht. Warum der gemeinsame Vertreter diesem Konzept zugestimmt hat, ist aus unserer Sicht nicht erklärlich. Der Massegläubiger soll aufgrund dieses Insolvenzplans nicht nur seine Forderungen vollständig zurückerhalten; er soll darüber hinaus auch Aktien zu einem gegenüber den Anleihegläubigern stark vergünstigten Preis bekommen. Dies lässt sich wirtschaftlich nicht erklären. Insbesondere die den Anleihegläubigern in Aussicht gestellten Chancen und Risiken beginnen erst einmal mit einem massiven Risikovorschuss. Die Chancen treten dahinter weit zurück.
Der gemeinsame Vertreter, der bei der Abstimmung kaum im Interesse der Anleihegläubiger agiert haben kann, hatte noch vor der Abstimmung über den Insolvenzplan eine Anleihegläubigerversammlung einberufen. Die erste Gläubigerversammlung scheiterte am erforderlichen Quorum von 50 %, da sich nur 37 % angemeldet hatten.
Zur zweiten Anleihegläubigerversammlung wäre für den avisierten Insolvenzplan nur noch ein Quorum von 25 % erforderlich gewesen. Angesichts des Quorums der ersten Gläubigerversammlung sollte es ein Leichtes sein, dies zu erreichen.
Dennoch wurde unmittelbar vor der Versammlung diese mit dem Hinweis abgesagt, dass das erforderliche Quorum von 25 % nicht erreicht worden sei. Dies ist insofern erstaunlich, als im Nachgang zur Rechtfertigung seines Verhaltens der gemeinsame Vertreter anführte, dass er vor der Abstimmung „Weisungen“ erhalten habe, die zu 86 % ihre Zustimmung zum Insolvenzplan erklärt hätten. Uns sind Anleihegläubiger in Höhe von zusammen nominal ca. 1,7 Mio Euro bekannt, die den gemeinsamen Vertreter noch vor der Abstimmung im Abstimmungstermin „angewiesen“ hatten, gegen den Insolvenzplan zu stimmen, nachdem die Gläubigerversammlung abgesagt wurde und Gegenanträge nicht mehr gestellt werden konnten.
Sollten tatsächlich 86 % eine „Weisung“ für den Insolvenzplan abgegeben haben, hätten die uns bekannten 1,7 Mio. Euro, die sich gegenüber dem gemeinsamen Vertreter ausdrücklich gegen den Insolvenzplan ausgesprochen hatten, 14 % darstellen müssen. Das hieße, dass mehr als 11 Mio. Euro Kapital von 20 Mio. Euro dem gemeinsamen Vertreter Weisung erteilt haben sollen? Dies kann nicht stimmen. Insbesondere ist das nicht in Einklang zu bringen mit dem behaupteten fehlenden Quorum für die Versammlung. Hier sollte verhindert werden, dass sich die Anleihegläubiger gegen den Insolvenzplan aussprechen. Man hatte sich über ihren eindeutigen Willen einfach hinweggesetzt.
Die Krux ist, dass die Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren selbst keine Rechtsmittel mehr einlegen können. Sie haben nicht einmal ein Stimmrecht. Selbst ein Akteneinsichtnahmerecht beim Insolvenzgericht München wurde mit dem Hinweis versagt, dass dies allein dem gemeinsamen Vertreter zustehen würde. Im Fall Laurèl wurden die augenscheinlich Anleger doppelt geprellt.
Kommentare sind hier geschlossen