Restrukturierungen werden immer komplexer. Umso wichtiger ist, dass diese konsequent und professionell geplant und umgesetzt werden. Aktuelle Studien zeigen, dass es sowohl für eine erfolgreiche Umsetzung als auch, wenn es darum geht, Kompromisse zwischen den Stakeholdern zu erzielen, von Vorteil ist, wenn dafür frühzeitig und für einen bestimmten Zeitraum ein Restrukturierungssexperte als Chief Restructuring Officer (CRO) hinzugezogen wird.
Der CRO kann seine Aufgabe aber nur erfüllen und zusammen mit den Stakeholdern dafür sorgen, dass die Krise des Unternehmens gelöst wird, wenn er über umfassende Managementfähigkeiten und Fachkenntnisse verfügt. Der vorliegende Beitrag stellt diese zusammen mit einem Überblick über die Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines CRO dar.
Das Wichtigste vorab: Ein Schema F gibt es beim CRO nicht! Die konkreten Anforderungen ergeben sich immer aus den speziellen Herausforderungen der jeweiligen Restrukturierungssituation. Vorrangig liegt der Fokus eines CRO darauf, ein Restrukturierungsprogramm zu erarbeiten und in Abstimmung mit den beteiligten Stakeholdern umzusetzen. Zudem fallen in der Regel die Verhandlungen mit den Finanzgläubigern sowie den Arbeitnehmervertretern in sein Aufgabengebiet.
Ein CRO wird regelmäßig dann berufen, wenn es zwischen den Stakeholdern – vor allem zwischen dem Gesellschafter und/oder dem Management und dessen Finanzgläubigern – an Vertrauen mangelt oder die Kommunikation zwischen den Beteiligten stark belastet ist. Der CRO übernimmt dann die Rolle eines unabhängigen Moderators, der die Gespräche wieder in Gang bringen muss, um einen Ausweg aus der Unternehmenskrise zu finden. Zudem wird ein CRO oft eingesetzt, wenn unpopuläre Maßnahmen umgesetzt werden müssen, die bei Teilen des Managements oder der Belegschaft auf Widerstand stoßen.
Ein CRO berät nicht nur in Finanzfragen
Bei jeder Restrukturierung hat ein CRO daher im Grunde drei Kernaufgaben:
- Die Glaubwürdigkeit des Managements und Objektivität im Restrukturierungsprozess sicherzustellen.
- Im Restrukturierungsprozess für Stabilität und Verlässlichkeit zu sorgen.
- Den Restrukturierungsprozess zu moderieren und die Konsensbildung bei den Stakeholdern über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens voranzutreiben.
Um diese Kernaufgaben zu erfüllen, muss ein CRO den strategischen, operativen und finanziellen Bereich einer Restrukturierung abdecken können. Gerade die die Finanzgläubiger wünschen sich von einem CRO, dass dieser sie nicht nur in Finanzfragen berät. Sie fordern auch eine operative Managementkompetenz und die Fähigkeit, Veränderungsprozesse im Unternehmen zu steuern sowie die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens mitzugestalten, wenn die Krise überwunden wurde.
Zudem muss der CRO über starke Managementkompetenzen in seinem Zuständigkeitsbereich verfügen. Nur so kann er einen Konsens zwischen den Parteien für die richtigen Restrukturierungslösungen herbeiführen. Dabei ist es maßgeblich, dass der CRO die Probleme des Unternehmens, aber auch die der Führungskräfte und Mitarbeiter schnell versteht.
Schließlich ist der CRO regelmäßig großem politischem Druck ausgesetzt, wenn er in ein Unternehmen kommt. Er ist regelmäßig mit dem Misstrauen des bestehenden Managements konfrontiert. Der Grund: Seine Berufung ist – wie bereits beschrieben – oftmals auf einen Mangel an Vertrauen zwischen den Gesellschaftern und/oder dem Management sowie den Finanzgläubigern zurückzuführen. Um dieses Misstrauen abzubauen, darf der CRO nie aus den Augen verlieren, dass es nicht sein Ziel ist, das bestehende Management zu ersetzen. Er soll es unterstützen. Seine erste und oberste Treuepflicht gilt dem notleidenden Unternehmen. Gleichzeitig wollen die Stakeholder rasche Restrukturierungsfortschritte sehen.
Geschäftsführungsbefugnisse als Vertrauensvotum
Ein CRO kann offiziell in die Geschäftsführung oder den Vorstand aufgenommen werden. Dies geschieht in der Regel aus zwei Gründen: Um seine und die Position des bestehenden Managements zu stärken und die Corporate Governance des notleidenden Unternehmens zu verbessern.
Dass der CRO in der gleichen Position wie die anderen Mitglieder des Managements fungiert, stellt ein Vertrauensvotum für diese dar. Das Signal: Der eingeschlagene Weg der Restrukturierung soll fortgesetzt und gemeinsam sollen pragmatische Lösungen für geschäftliche Entscheidungen am Rande der Insolvenz gefunden werden.
Die involvierten Stakeholder sollten daher die Implikationen von Geschäftsführungs- im Gegensatz zu Nicht-Geschäftsführungsbefugnissen berücksichtigen, wenn sie einen CRO berufen. Hat das bestehende Management-Team in der Vergangenheit keine entsprechenden Ergebnisse geliefert, sollte der CRO als Geschäftsführer eingesetzt werden. Nur dann kann er das Management-Team so beeinflussen, dass angemessene Maßnahmen ergriffen und im Anschluss konsequent umgesetzt werden.
Aktienkurs erholt sich 15 Monate früher
Dadurch erhöhen sich für die Stakeholder auch die Chancen, dass sie von den eingangs erwähnten Vorteilen einer Restrukturierung unter Beteiligung eines CRO profitieren. Diese werden auch durch aktuelle Studien bestätigt. So erholte sich der Aktienkurs von 71 ehemals notleidenden Unternehmen rund 15 Monate früher, wenn die Restrukturierung von einem CRO geführt wurde (bis zur Erholung: elf Monate mit und 26 Monate ohne CRO).[1]
Die Autoren (in alphabetischer Reihenfolge):
Jan Dettbarn:
Jan Dettbarn ist Senior Director bei Alvarez & Marsal. Er ist seit mehr als dreizehn Jahren in der Restrukturierungsberatung und im Private Equity Bereich tätig. Seine Schwerpunkte sind die Beratung von Schuldnern und Gläubigern in finanziellen Restrukturierungsprozessen und die Übernahme von kaufmännischen, interimistischen Führungspositionen (CFO, Finance Director) – insbesondere in den Branchen Automotive, Kabel & Telekommunikation, Handel und Konsumgüterindustrie.
Steffen Kroner:
Steffen Kroner ist Senior Director bei Alvarez & Marsal. Er besitzt über 12 Jahre Erfahrung in den Bereichen Restrukturierung, Transaction Advisory und Investment Banking. Er hat bereits zahlreiche führende Funktionen in Restrukturierungsprojekten, u.a. als Chief Restructuring Advisor, mit den Schwerpunkten auf Liquiditätsmanagement, Business Planung, Transformationsprogramme und Refinanzierungen übernommen – schwerpunktmäßig in den Branchen Telekommunikation, erneuerbare Energien, Automobilzulieferer, Verpackung, Büroartikel sowie Foto/Grafik.
Bob Rajan:
Bob Rajan ist Managing Director bei Alvarez & Marsal. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Berufserfahrung in Top-Management Positionen (CFO, CRO, Non Executive Director)und in internationalen Unternehmensberatungen. Seine Schwerpunkte sind die finanzielle und operative Restrukturierung sowie das Stakeholder-Management, das Liquiditätsmanagement sowie die Unternehmensplanung und -abwicklung. Er ist schwerpunktmäßig in der Automobilzulieferindustrie, der Textilwirtschaft und im Handel tätig.
[1] Quelle: European Restructuring Outlook 2014 (Deloitte, 2014)
Bildnachweis: Stephanie Hofschlaeger / www.pixelio.de
Kommentare sind hier geschlossen