Im Interview spricht Dr. Leo Plank von Kirkland & Ellis International LLP, über die Neuerungen, die das neue Schuldverschreibungsgesetz (SchuldVG) im Zusammenhang mit Restrukturierungsmaßnahmen hat, und bei welchen Punkten Rechtsunsicherheit herrscht.
InsolvenzBlog: Herr Dr. Plank, das neue Schuldverschreibungsgesetz beinhaltet einige Neuerungen im Zusammenhang mit Restrukturierungsmaßnahmen. Welche sind aus ihrer Sicht die wichtigsten?
Dr. Plank: Das neue Schuldverschreibungsgesetz erweitert die Möglichkeiten von Anleihegläubigern, Sanierungsbeiträge zu leisten. Sofern in den Anleihebedingungen vorgesehen, ermöglicht das SchuldVG grundsätzlich die Änderung wesentlicher Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss. So können tiefgreifende Restrukturierungsmaßnahmen, insbesondere Debt-Equity-/Debt-Asset-/Debt-Debt-Swaps, von einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden. Dies verhindert sogenannte „Hold-Out“ Strategien einzelner Investoren, die versuchen, durch Sanierungsbeiträge einer Mehrheit ihren Minderheitsanteil werthaltig zu machen. Einige Bestimmungen des SchuldVG sind besonders sanierungsfreundlich, darunter die Möglichkeit, einen Debt-Equity-Swap verbindlich für alle Anleihegläubiger zu beschließen. Dies steht im Gegensatz zum Insolvenzverfahren, wo die Zustimmung eines jeden Gläubigers notwendig ist. Ebenfalls bemerkenswert: Die Möglichkeit, Mitverpflichtete, also etwa Bürgen oder Garanten, einzubeziehen. Diese neuen Regelungen haben bereits ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt, beispielsweise die soeben abgeschlossene Sanierung der SolarWorld AG über einen Debt-Equity-Swap zweier Anleihen.
Trotz aller erfreulichen Neuerungen bleibt aber als Zwischenfazit festzuhalten: Die positiven Ansätze sind mit Unsicherheiten gepaart. Die Restrukturierung von Anleihen in der Krise oder gar in einer Insolvenz ist aus rechtlicher Sicht noch immer risikoreich.
InsolvenzBlog: Worin bestehen diese Rechtsunsicherheiten?
Dr. Plank: Vor allem in der Konstruktion des Gesetzes: Das SchuldVG beinhaltet zahlreiche Verweise und Generalklauseln. Gepaart mit den umfassenden Anfechtungsmöglichkeiten aus Paragraph 20 SchuldVG stellt dies Gerichte vor die komplizierte Aufgabe, die wenigen vorhandenen Regelungen auszugestalten und vorhandene Lücken zu schließen. In Summe führt dies teilweise zu unglücklichen Einzelfallentscheidungen.
InsolvenzBlog: Können Sie das an einem Fall aus der Praxis erläutern?
Dr. Plank: Eine typische Frage ist folgende: Inwieweit ist für Anleihen, die vor 2009 im Ausland begeben wurden, aber deutschem Recht unterliegen, ein Opt-in möglich – und damit das SchuldVG anwendbar. Das OLG Frankfurt hat in diesem Zusammenhang am 27. März 2013 einen etwas unglücklichen Beschluss gefasst. Dieser hat in Konsequenz dazu geführt, dass nicht nur der unmittelbar betroffene Holzverarbeiter Pfleiderer AG in die Insolvenz gezwungen wurde, sondern auch der Solarhersteller Q-Cells SE, welcher sich in einer ähnlichen Situation befand. Das Gericht nahm nämlich an, dass die qualifizierte Mehrheit von Gläubigern einer Anleihe, die nach deutschem Recht von einem ausländischen Emittenten vor dem 05. August 2009 ausgegeben wurde, die Anwendbarkeit des SchuldVG (2009) nicht nachträglich beschließen könne – und das, obwohl der Gesetzgeber diese Konstellation eigentlich genau entgegengesetzt beurteilt hatte. Diese Fälle zeigen, wie wichtig und notwendig eine Klarstellung durch den Gesetzgeber ist.
InsolvenzBlog: Gibt es weitere Punkte, bei denen Rechtsunsicherheit herrscht?
Dr. Plank: Ja, in der Tat. Ein weiteres Beispiel ist die Frage nach der Anwendbarkeit des SchuldVG im Insolvenz(antrags)verfahren. Insbesondere die genauen Befugnisse des gemeinsamen Vertreters – und dessen Vergütung – sowie die Möglichkeiten der Anleihegläubiger, im Insolvenzverfahren Mehrheitsbeschlüsse zur Änderung von Anleihebedingungen zu fassen, sind weitgehend ungeklärt. Zwar wären einige der in Paragraph 19 SchuldVG vorgesehenen Bestimmungen grundsätzlich sehr hilfreich und würden die Abstimmung in einem Insolvenzverfahren wesentlich erleichtern – aber in der Praxis gibt es immer wieder große Abstimmungsprobleme. Daher wurde in einigen Fällen davon abgesehen, einen gemeinsamen Vertreter im Insolvenzverfahren zu bestellen. Das erschwert natürlich die Koordination mit den Anleihegläubigern.
Auch die jüngeren Entscheidungen des LG Köln sorgen zunehmend für Unsicherheit: In diesen wird Anleihegläubigern ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Emittenten zugestanden, sobald der Emittent eine Anleihegläubigerversammlung zur Abwendung einer sonst drohenden Insolvenz einberief oder deren Einberufung auch nur ankündigte. So geraten Unternehmen in einer schwierigen Situation noch schneller in einen Negativtrend.
InsolvenzBlog: Was genau müsste aus Ihrer Sicht im Schuldverschreibungsgesetz geändert werden, um es investorenfreundlicher auszugestalten?
Dr. Plank: Aus globaler Sicht muss der Schwerpunkt der Restrukturierung auf der Insolvenzvermeidung liegen. Daher sollten die Regelungen des SchuldVG, die eine außergerichtliche Sanierung positiv beeinflussen, möglichst umfassend zur Anwendung kommen. Wenn also Klarheit geschaffen würde, dass auch vor dem 05. August 2009 im Ausland begebene, deutschem Recht unterliegende Anleihen oder sonstige Anleihen wie etwa Genussscheine nach neuem SchuldVG behandelt werden, wäre schon viel erreicht. Im Insolvenzverfahren sollte ebenfalls für Klarheit gesorgt werden: Hier sollte eine schnellere Bestellung des gemeinsamen Vertreters – eventuell unter Reduzierung der Anfechtungsmöglichkeiten oder einer Übertragung der Entscheidung über Beschwerden auf das Insolvenzgericht – sowie eine klare Rechtsgrundlage über die Kosten des gemeinsamen Vertreters als Masseverbindlichkeiten vorgesehen werden. Nicht zuletzt sollte geregelt werden, dass ein vollziehbarer Beschluss der Anleihegläubigerversammlung auch zuvor gekündigte Anleihen erfasst.
InsolvenzBlog: Thema Anfechtung: Wie könnten diesbezügliche Risiken minimiert werden?
Dr. Plank: Das Anfechtungsrecht des SchuldVG ist weitgehend dem aktienrechtlichen Anfechtungsrecht nachgebildet. Dies hat zur Folge, dass sich eine ähnliche „Anfechtungskultur“ wie im Aktienrecht herausbildet. Gerade in den sehr zeitkritischen und für ein Unternehmen „lebensbedrohlichen“ Umständen einer Sanierung mit den Instrumenten des SchuldVG sind solch weitgehenden Anfechtungsmöglichkeiten häufig kontraproduktiv. Anstatt Sanierungskonzepte ernsthaft inhaltlich zur Prüfung stellen zu wollen, werden oftmals Anfechtungen konstruiert, um das unter Zeitdruck und kurz vor der Insolvenz stehende Unternehmen zu einem Vergleich zu bewegen. Bei Anleihegläubigerversammlungen zur Abwendung einer sonst drohenden Insolvenz könnte daher erwogen werden, das Anfechtungsrecht analog zu Paragraph 251 InsO auszugestalten: Ohne aufschiebende Wirkung, solange ausreichende Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Anfechtungkläger mit seinem Begehren durchdringt. Das momentan vorgesehene Freigabeverfahren ist dafür zu langwierig, auch wenn in jüngster Zeit in Sachen SolarWorld AG zwei erfreuliche Entscheidungen des OLG Köln ergangen sind.
InsolvenzBlog: Herr Dr. Plank, vielen Dank für dieses Gespräch.
Bildnachweis: Thorben Wengert / www.pixelio.de
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