Eine Erstattung der Umsatzsteuer nach Betriebsaufgabe bedingt keinen Einkommensteueranspruch gegen den ehemaligen Unternehmer, sondern eine Masseverbindlichkeit. Das gilt es in Insolvenzsituationen zu beachten.
Die Geschichte beginnt bereits im Jahr 2003. Damals wurde über das Vermögen eines Spielhallenbetreibers ein Insolvenzverfahren eröffnet. So weit, so unspektakulär.
Interessant wird der Fall aber insofern, als dass ein diesen Sommer ergangenes Urteil im Kontext des Insolvenzverfahrens weitreichende Folgen für die steuerliche Praxis im Insolvenzverfahren haben kann. Doch der Reihe nach!
Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren gegen die Umsatzsteuerbescheide der Vorjahre Einsprüche anhängig, die erst im Jahr 2008 in der Folge eines Urteils des Bundesfinanzhofes zur Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten berichtigt worden sind. Inhaltsadressat der Berichtigung war der Kläger, Bekanntgabeadressat der Insolvenzverwalter, an den auch die Auszahlungen der korrigierten Umsatzsteuer erfolgten. Indes: Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2008 wurde der Erstattungsbetrag als nachträgliche Betriebseinnahme zulasten des ehemaligen Automatenaufstellers versteuert. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Dagegen legte der Unternehmer Klage ein. Er wollte geltend machen, dass eine Festsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter hätte erfolgen müssen. Damit folgte er der Annahmen, dass der Insolvenzverwalter die steuerlichen Pflichten im Insolvenzverfahrens hätte erfüllen müssen – wodurch auch die Erstattung der Umsatzsteuer durch diesen hätte versteuert werden müssen. Und weiterhin gelte: Für die im Laufe des Insolvenzverfahrens entstehenden Steuerforderungen könne der Kläger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr in Haftung genommen werden.
Das Ergebnis: Das Finanzgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 5.7.2018, 1 K 2502/15) gab der Klage überwiegend statt. Die im Jahr 2008 erstattete Umsatzsteuer und die hieraus bis zur Betriebsaufgabe 2003 entstandenen Zinsen sind nicht als im Jahr 2008 zugeflossene Betriebseinnahmen, sondern als Aufgabegewinn im Jahr 2003 zu erfassen. Die Erstattung der Umsatzsteuer im Jahr 2008 ist ein auf den Aufgabegewinn im Jahr 2003 zurückrückwirkendes Ereignis. Daraus folgt laut dem Finanzgericht, dass der Bescheid über die Einkommensteuer für 2008 vom 11. Dezember 2013 mit der Maßgabe geändert wird, dass die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb um den in Frage stehenden Betrag gemindert werden und das Finanzamt allein die daraus resultierende Einkommensteuer berechnen kann.
Damit widerspricht das Finanzgericht der Auffassung des Bundesfinanzministeriums (Schreiben vom 5.7.2006). Die Zahlung einer, bei der Betriebsaufgabe wegen ihrer Ungewissheit nicht bilanzierungsfähigen Erstattungsforderung, stellt dementsprechend ein rückwirkendes Ereignis dar. Das Gericht verweist dabei auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. „Bestrittene betriebliche Forderungen können nicht in das Privatvermögen übernommen werden und bleiben auch nach einer Betriebsaufgabe Betriebsvermögen. Der Betriebsaufgabegewinn wird so ermittelt, als sei die Forderung im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe nach Grund und Höhe unstreitig gewesen. Der Gewinn wird nach Maßgabe des tatsächlich aus der ungewissen Forderung erlösten Betrags angesetzt“, heißt es in der Urteilsbegründung. Und die im Jahr 2008 erstattete Umsatzsteuer und die heraus bis zur Betriebsaufgabe 2003 entstandenen Zinsen sind nicht als im Jahr 2008 zugeflossene Betriebseinnahmen, sondern als Aufgabegewinn im Jahr 2003 zu erfassen. Die Erstattung der Umsatzsteuer im Jahr 2008 ist ein auf den Aufgabegewinn im Jahr 2003 zurückrückwirkendes Ergebnis.
Für das Insolvenzverfahren gilt: Die gegen den Kläger – in geänderter Höhe – festzusetzende Einkommensteuer 2008 ist eine durch den Insolvenzverwalter bewirkte Masseverbindlichkeit, keine bereits bei Insolvenzeröffnung begründete Insolvenzforderung. Das gilt es in Insolvenzsituationen zu beachten, um vorausschauend mit der Masse umzugehen.
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