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Die Eigenverwaltung muss sich am Gesamtgläubigerinteresse orientieren

Bei der Eigenverwaltung rückt die bestmögliche Befriedigung der Gläubigerinteressen allzu oft in den Hintergrund.

Aber ein schuldnerfreundliches Verfahren ist nicht mit den Vorgaben aus § 1 der Insolvenzordnung in Einklang zu bringen. Daher kommt dem Ausschluss aller möglichen nachteilsindizierenden Umstände vor der Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung durch das Gericht eine übergeordnete Rolle zu.

Im Zuge der im Oktober entflammten Debatte über die Eigenverwaltung, ausgelöst durch den Werbebrief einer Düsseldorfer Kanzlei, ist auch die Frage nach den Gläubigerrechten in den Blick gerückt. Denn allzu oft wird das Verfahrensziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung in den Hintergrund gedrängt: Das Verfahren ist tendenziell Geschäftsführer- und Gesellschafter-freundlich.

Daher ist es bei der Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung unumgänglich, dass das Verfahren nicht nachteilig für die Gesamtheit der Gläubiger ist. Sind solche nachteilsindizierenden Umstände bekannt, ist die Voraussetzung zur Eigenverwaltung nicht gegeben. Dies liegt vor allem darin begründet, weil ja gerade der Schuldner in der Eigenverwaltung prinzipiell alle Aufgaben des Insolvenzverwalters (unter Aufsicht des Sachwalters) übernimmt. Aber schon dies ist prinzipiell nachteilsindizierend, weil schon die drohende Zahlungsunfähigkeit darauf schließen lässt, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine Vermögensmasse nachhaltig zu beherrschen und die Insolvenzmasse im Sinne der Gläubiger zu verwerten. Man kann es auch anders formulieren: Der Bock wird schlicht zum Gärtner gemacht, wenn man die Insolvenzverwaltung jenen überlässt, die sie verspätet eingeleitet oder Gläubiger in anderer Weise in rechtlich oder kaufmännisch unvertretbarer Weise geschädigt haben.

Als nachteilsindizierende Umstände kommen alle Tatsachen in Frage, die einen Bezug zum Schuldner, zur Entstehung und Entwicklung der Insolvenz und deren Bewältigung haben. Das können Zweifel an der beruflichen und charakterlichen Eignung des Insolvenzschuldners im Rahmen der Verfahrensführung sein, aber auch die Unternehmensorganisation, die allgemeinen Verhältnisse des Schuldnerunternehmens oder die wirtschaftliche Lage in dessen Branche und/oder Region. Besteht in einem oder sogar mehreren dieser Bereiche die Gefahr, dass ein Sachverhalt nachteilig für die Gläubiger sein kann, darf das Gericht die Eigenverwaltung nicht anordnen.

In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, auf die Rolle des vorläufigen Gläubigerausschusses noch einmal sehr deutlich hinzuweisen. Denn der vorläufige Gläubigerausschuss hat maßgeblichen Einfluss auf die Anordnung der Eigenverwaltung. Dies ist in § 270 Abs. 3 InsO eindeutig geregelt: „Vor der Entscheidung über den Antrag [auf Eigenverwaltung] ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. Wird der Antrag von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt, so gilt die Anordnung nicht als nachteilig für die Gläubiger.“

Aus der Insolvenzpraxis sind Fälle bekannt, in denen Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses den Antrag auf Eigenverwaltung betrieben haben, obgleich ihnen mehrere gravierende nachteilsindizierende Umstände bekannt waren. Daher sollte das Gericht dringend prüfen, ob die Besetzungsvorschläge des Gläubigerausschusses durch den Schuldner beziehungsweise dessen Berater die Gewähr für eine sachkundige und unabhängige, am Gesamtgläubigerinteresse orientierte Amtsführung bieten. Entgegenstehende Kenntnisse hat der vorläufige Sachwalter dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, um eine Verfahrensführung im Sinne der Gläubigergesamtheit zu gewährleisten (siehe umfassend dazu Dirk Hammes: „Das Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Frage der Eigen-verwaltung und die Ermittlungspflicht des Insolvenzgerichts“, in: ZIP – Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Heft 32/2017, S. 1505-1513)).

Das Gericht muss den Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses verdeutlichen, dass sie verpflichtet sind, die Unterstützung für den Eigenverwaltungsantrag nur auf Grundlage ausreichender angemessener Informationen zu gewähren. Für ein pflichtwidriges Verhalten können sie in Haftung genommen werden.

Verändert sich die Praxis dahingehend, dass die Zugangsvoraussetzungen zur Eigenverwaltung in diesem Sinne verschärft werden, wird auch die Gläubigerbefriedigung wieder eine ernstzunehmende Rolle in den Verfahren spielen. Erst dann lässt sich der Umgang mit der Eigenverwaltung dauerhaft mit den Vorgaben § 1 Insolvenzordnung in Einklang bringen.

 

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Bild: fantasista / FreeDigitalPhotos.net

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