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Neue Studie: Insolvenzrecht ESUG ist in der Praxis angekommen

Das neue Insolvenzrecht ist in der Praxis angekommen, die Verfahren werden jedoch komplexer, gleichzeitig aber auch die Gläubiger kritisch engagierter. Das zeigt die aktuelle „ESUG-Studie“ der Wirtschaftskanzlei Noerr LLP und Roland Berger Strategy Consultants. Befragt wurden 2.100 Entscheider, darunter Gläubiger, Insolvenzverwalter, Rechtsanwälte, Richter, Investoren und Manager.Nach der Studie sehen rund 90 Prozent der Befragten ihre Erwartungen erfüllt.

Seit das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) am 1. März 2012 in Kraft getreten ist, wurden etliche Großverfahren eingeleitet und teilweise bereits erfolgreich abgeschlossen. Mit dem ESUG sollten die Rahmenbedingungen für die Sanierung von insolvenzbedrohten Unternehmen verbessert, vor allem Gläubigerinteressen gestärkt, Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (Schutzschirmverfahren) unterstützt und Planverfahren erleichtert werden.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland hat 2013 leicht zugenommen. Der Anteil von Anträgen auf Eigenverwaltung ist weiterhin gering, doch die Tendenz ist leicht steigend. Bisher sind mehr Gläubiger (46%) als Insolvenzverwalter/Sachwalter (32%) mit dem ESUG in Berührung gekommen. Die meisten Erfahrungen wurden bisher mit der vorläufigen Eigenverwaltung (86%), dem Schutzschirmverfahren sowie dem vorläufigen Gläubigerausschuss (jeweils 80%) gemacht. Immerhin 63 Prozent der Befragten haben inzwischen auch mit Debt-to-Equity-Swaps Erfahrungen gesammelt.

Gläubiger immer kritischer gegenüber der Eigenverwaltung

Obwohl fast 90 Prozent der Befragten die ESUG-Regelungen bereits angewendet haben, fühlen sich Gläubiger, Richter und Investoren über die einzelnen Neuregelungen immer noch schlecht informiert. Vor allem Gläubiger sind oft kritisch dem neuen Insolvenzrecht gegenüber und verweigern nicht selten die Zustimmung zur Eigenverwaltung: So wurden 2013 insgesamt 44 Prozent der Anträge auf Eigenverwaltung abgelehnt, im Vorjahr waren es nur 32 Prozent. Das liegt aber in erster Linie an der mangelnden Erarbeitung eines schlüssigen Sanierungskonzepts. Die meisten Unternehmen schaffen es nicht, bei der Antragstellung auf Eigenverwaltung ein vollständiges Sanierungskonzept vorzulegen. Das verunsichert die Gläubiger.

Um die Verfahrenseröffnung nicht zusätzlich zu gefährden, müssen die Fortführung des Geschäfts sowie die Unterstützung durch die Stakeholder wie etwa Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter gesichert sein. Für über 90 Prozent der Befragten geben die Unabhängigkeit des Sachwalters und des Managements sowie dessen Sanierungserfahrung den Ausschlag für eine erfolgreiche Eigenverwaltung. Außerdem glauben mehr als 70 Prozent, dass ein verantwortlicher Chief Restructuring Officer im Unternehmen notwendig ist, um eine erfolgreiche Sanierung der Firma zu erreichen.

Verbesserte Rahmenbedingungen alleine reichen nicht aus. Wenn sich ein Unternehmen in einer kritischen Phase befindet, müssen die Verantwortlichkeiten klar geregelt sein. Nur so sind eine professionelle Steuerung der einzelnen Prozesse und eine permanente Kommunikation mit dem Sachwalter und allen Stakeholdern möglich.

Schutzschirmverfahren werden gut angenommen

Unterdessen zeichnet sich bei der Eigenverwaltung ein deutlicher Trend zugunsten von Schutzschirmverfahren ab: 2013 waren rund ein Drittel der beantragten Eigenverwaltungen auch gleichzeitig Schutzschirmverfahren. Eigenverwaltungen, die als Schutzschirmverfahren begonnen wurden, wurden nach Angaben der Studienteilnehmer häufiger und schneller erfolgreich beendet (41%), im Gegensatz zu reinen Eigenverwaltungen (23%).

Allerdings bemängelt mehr als die Hälfte der Befragten die Komplexität in der Antragstellung zur Eigenverwaltung – vor allem durch hohe Rechtsunsicherheit (51%) und umfangreiche Dokumentationspflichten (43%). Dennoch glauben die Experten, dass das neue Insolvenzrecht seine Ziele hauptsächlich durch die einfacher zu erlangende Eigenverwaltung (74%) und eine stärkere Berücksichtigung der Gläubigerinteressen (59%) erreichen konnte. Besonders positiv bewerten die Befragten die Einführung eines vorläufigen Gläubigerausschusses und dessen Einfluss auf die Verwalterauswahl (44%).

Mit dem ESUG gibt es zwar erste positive Erfahrungswerte; gleichwohl gelten weiterhin die klassischen Erfolgsfaktoren der Restrukturierung wie die frühzeitige und vertrauensvolle Einbindung der Gläubiger. Die Sanierung im Rahmen der ESUG-Regeln wird in Zukunft nur dann regelmäßig gelingen, wenn positive Beispiele die Akzeptanz unter den Gläubigern stärken. Vieles ist noch im Fluss und das ESUG verlangt insofern allen Beteiligten Anpassungsbereitschaft ab. Das gilt auch für Insolvenzverwalter und Richter, die ihre gewandelten Rollen im Verfahren ausfüllen müssen.
Die weitere Entwicklung bleibt in jedem Fall spannend. Dabei zeigt sich die Praxistauglichkeit neuer Gesetze besonders gut in komplexen Verfahren. Beim ESUG stimmt in dieser Hinsicht vieles hoffnungsvoll. So hat sich etwa der Einsatz des Debt-to-Eqity-Swaps bereits in einem besonders anspruchsvollen Restrukturierungsszenario bewährt: Der Rettung der börsennotieren centrotherm photovoltaics AG, wo es im Unterschied zu bislang allen anderen Schutzschirmverfahren gelang, die Börsennotierung zu erhalten und so auch Kleinanleger nicht völlig leer ausgehen zu lassen. Trotz großer tatsächlicher und rechtlicher Herausforderungen konnte damit die Basis für die erfolgreiche Restrukturierung des Solarkonzerns geschaffen werden. Insofern gibt es bereits heute vorbildlich durchgeführte ESUG-Verfahren, die in der Praxis als Blaupause für die Unternehmensrettung dienen.

Immerhin: Obwohl das ESUG „nur“ eine Änderung der seit 1999 geltenden Insolvenzordnung ist und als eigenständiges Gesetzeswerk gar nicht existiert, ist es bereits zu einer eigenen Marke für gerichtliche Sanierungsverfahren geworden.

Bild: David Casillo Dominici

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