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Als Werkzeug zur Bewältigung der Krise nicht geeignet: Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die Bundesregierung hat am 2. September 2020 die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlängert: Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, falls die Überschuldung eines Unternehmens Folge der Corona-Krise ist, soll bis Jahresende ausgesetzt bleiben. Diese Regelung war im März zunächst bis September eingeführt worden, um eine Pleitewelle in der Pandemie zu verhindern. Das Kabinett verlängert sie nun, wie jüngst im Koalitionsausschuss vereinbart. Die sogenannte Zahlungsunfähigkeit bleibt als Insolvenzgrund aber bestehen.

Warum ist dies trotzdem der falsche Weg?
Weil er zahlreiche Unternehmen direkt in die Regelinsolvenz führen wird, nur eben zu einem späteren Zeitpunkt. Ein Unternehmen, das zwar überschuldet, aber noch zahlungsfähig ist, wird zwangsweise über kurz oder lang in eine Zahlungsunfähigkeit rutschen.

Warum?
Überschuldung bedeutet nichts anderes, als dass das Eigenkapital der Gesellschaft bereits aufgezehrt ist und die Finanzierung des Unternehmens ausschließlich über Fremdkapital erfolgt. Nun gibt es dabei zwei Arten von Fremdkapitalgebern: Die einen, die wissen, dass sie „Darlehen“ gewähren, wie Banken und Leasinggeber, und andere, denen es eben nicht bewusst ist, dass sie „Darlehensgeber“ sind. Das sind vornehmlich Lieferanten, Dienstleister und Arbeitnehmer des Unternehmens. Solange das Unternehmen gesund, also nicht überschuldet oder zahlungsunfähig ist, findet diese „Darlehensgewährung“ im normalen Rahmen statt, innerhalb vereinbarter Zahlungsfristen.

Da nun aber die Überschuldung zur Zahlungsunfähigkeit führen wird – die Frage ist nur, wann – kann sich das überschuldete Unternehmen nur durch weiteres Fremdkapital refinanzieren. Sofern also nun die Bank eine Finanzierung verweigert, wird sich das Unternehmen diese Finanzierung woanders besorgen müssen. Und zwar bei den „Darlehensgebern“, die das zunächst nicht bemerken und meist auch keine Möglichkeiten haben, sich zu wehren, zumindest bis zu einem bestimmten Punkt: Bei den Lieferanten und Dienstleistern durch Verlängerung der Zahlungsziele (oder eben einfach „Nichtbezahlen der Rechnungen“), und bei Arbeitnehmern durch Nichtbezahlen von zunächst Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer (das merkt der Arbeitnehmer nicht), später möglicherweise durch verspätete Zahlung des Arbeitsentgelts selbst. Dies funktioniert solange, bis Lieferanten und Dienstleister die weitere Leistung von der Bezahlung von Altrechnungen abhängig machen (was dann ja meist nicht mehr funktioniert), oder aber die Sozialversicherungsträger und/oder das Finanzamt die Vollstreckung gegen das überschuldete Unternehmen einleiten.

Die Unternehmen, die durch diese Phase der Überschuldung kommen und sich erholen, dürften wohl, angesichts der ungünstigen Bedingungen, sehr handverlesen sein.

Die Folge ist: Der Insolvenzantrag muss gestellt werden. Allerdings ist nun wertvolle Zeit verstrichen, für die Rettung des Unternehmens ist es dann vermutlich zu spät. Auch die besten Sanierer und Insolvenzverwalter können keine Sanierung mehr durchführen, wenn der angerichtete Flurschaden schon zu hoch ist.

Eine Lösung, dieses Szenario zu vermeiden, hat der Gesetzgeber bereits geschaffen: Das ESUG-Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, also die sogenannte „Insolvenz in Eigenverwaltung nach §270a/b InsO“.

Die Insolvenz in Eigenverwaltung hat gegenüber der jetzigen Aussetzung der Insolvenzantrags-pflicht folgende Vorteile:

1.           Mit Antragstellung wird von dem einzusetzenden Sanierungsberater ausführlich geprüft, ob eine Sanierungsfähigkeit besteht – und ob das Unternehmen als sanierungswürdig eingestuft werden kann. „Glücksritter“ werden somit von vornherein ausgeschlossen.

2.           Mit Bewilligung des Antrags auf Insolvenz in Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht greifen die Finanzierungsinstrumente der Eigenverwaltung, wie z. B. Insolvenzgeldfinanzierung (also praktisch die Subventionierung der Mitarbeiterkosten für drei Monate) oder das Umsatzsteuerprivileg (also die erlaubte Nichtzahlung der Umsatzsteuer) sowie andere „Insolvenzeffekte“. Eine Finanzierung durch die Bank oder gar der „Missbrauch von Lieferanten und Dienstleistern als Bank“ ist nicht notwendig, vor allem aber nicht mehr möglich. Dies schützt diese „unfreiwilligen Geldgeber“.

3.           In der Eigenverwaltung steht dem Unternehmen nunmehr der gesamte Sanierungswerkzeugkasten der Insolvenzordnung zur Verfügung. So können verlustbringende Verträge kurzfristig beendet werden, selbst bei sonst jahrelangen Restlaufzeiten. Der ggfs. notwendige Abbau von Mitarbeitern wird erleichtert, Sanierungsmaßnahmen können mit und unter Überwachung des eingesetzten Sanierungsberaters eingeleitet und durchgeführt werden.

4.           Das Verfahren wird, im Sinne der Gläubiger, durch einen vom Gericht bestellten Sachwalter überwacht und von einem Sanierungsprofi begleitet, was das Vertrauen der Gläubiger, Banken und Mitarbeiter deutlich verbessert.

5.           Trotz allem bleibt die Geschäftsführung des Unternehmens im „Driver’s seat“ und lenkt die Geschicke des Unternehmens, natürlich innerhalb des von der Insolvenzordnung vorgegebenen Rahmens, durch die Krise. Das Unternehmen wird wirksam und nachhaltig saniert.

Fazit

In der Insolvenz in Eigenverwaltung stehen zur Krisenbewältigung deutlich bessere Werkzeuge zur Verfügung, eine Sanierung erfolgt in einem gesetzlich geregelten und überwachten Verfahren.

Dagegen steht bei weiterer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, dass Unternehmen, die gar keine Chance zur Sanierung haben, andere Lieferanten, Dienstleister und möglicherweise die eigenen Mitarbeiter schädigen, ohne dass diese das merken und somit einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Und, was am wichtigsten ist, dass sie damit möglicherweise Unternehmen, die eine Chancen gehabt hätten, die Krise zu meistern, durch Forderungsausfälle soweit schädigen, dass auch diese sanierungsfähigen Betriebe an der derzeitigen Krise scheitern werden.

Insofern ist die Entscheidung über die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für einen Fachmann nicht nachvollziehbar, zumal der Gesetzgeber ja offensichtlich ein Werkzeug zur Bewältigung einer solchen Krise bereits geschaffen hat, die „Insolvenz in Eigenverwaltung nach § 270a/b InsO“.



Bild: maestrosphere1 / pixabay

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